Warum wir gerade jetzt die Medien ignorieren sollten.
Die US-Präsidentschaftswahl findet am 5. November statt. Seit Tagen gibt es allerdings in den Medien schon Panikartikel, die vor einem Wirtschaftskrieg warnen und auch die Wahlkampfrhetorik wird unreflektiert übernommen. Die Artikel sind damit bestenfalls unterhaltsam, aber niemals objektiv nützlich. Die aktuell beste Empfehlung ist daher eine, die sonst niemals hier steht: LESEN SIE KEINE ARTIKEL ÜBER DEN WAHLKAMPF.
Grund genug, auch heute einen Faktencheck zu machen und sich nüchtern den nächsten Monaten zuzuwenden. Zunächst einmal: Gewählt wird nicht nur der oder die nächste Präsident(in), sondern auch alle 435 Kongressabgeordneten und rund ein Drittel der 100 Senatssitze. Daraus kann sich eine „divided presidency“ ergeben (das ist das derzeit wahrscheinlichste Szenario), bei dem Kongress bzw. Senat strittige Vorhaben blockieren können. Das wird – ungeachtet des Präsidentschaftswahlsiegs – die Möglichkeiten des nächsten Regierungsteams einschränken. Einfach gesagt: Es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht.
Für die US-Innenpolitik bedeutet das: Konjunkturprogramme werden gestartet, was inflationstreibend ist. Im Fall von Trump wird das indirekt erfolgen, indem der Spitzensteuersatz gesenkt und damit (so die Erwartung) die Investitionsaktivität wieder befeuert wird. Im Fall von Harris werden mehr Förderungen vergeben, also private Haushalte und die kleineren Gewerbe finanziell gestärkt, was den Konsum fördern soll. Die Frage für beide Strategien lautet: Wie wird das refinanziert? Eine weitere Schuldenaufstockung wird wahrscheinlich schwierig durchzusetzen sein, es sind also andere Maßnahmen (Kürzungen, Steuer- und Gebührenerhöhungen, Zusatzeinnahmen aus Zöllen) zwingend erforderlich.
Damit zur US-Außenpolitik: China wird von den USA als DER Gegner um die wirtschaftlich dominante Rolle in der Welt gesehen – mit einer fortgesetzt aggressiven Wirtschaftspolitik muss also gerechnet werden. In der Außenpolitik unterscheiden sich Republikaner und Demokraten zum Teil recht stark: Die Republikaner sehen im US-Protektionismus die beste Strategie (Waffenverkäufe ja, Militäreinsätze nein), die Demokraten in global strategischen Partnerschaften (u.a. der NATO). Der Ausgang der Gesamtwahl (Präsidentschaft, Kongress UND Senat) wird sich daher rasch in der geopolitischen Risikoeinschätzung zeigen.
Was heißt das nun für die Märkte? Die US-Leitzinsen könnten auf höherem als dem jetzigen, vom FOMC in den Raum gestellten, Ziel von 2% zum Liegen kommen: 3,0% gilt hier als denkbar. Das bedeutet für die US-Anleihen ein Sinken der Renditen. Und für den USD, dass er gegenüber EUR und JPY (beide sehr wichtig für die USA) nicht so stark fällt, wie für 2026 erhofft. In anderen Worten: US-Waren werden für die wichtigsten US-Exportmärkte teuer bleiben, was absatzdämpfend wirkt. Gleichzeitig unterstützt der hohe USD etwaige Importzölle gegenüber der EU, da diese Zölle aufgrund des (aus Sicht der EU) attraktiveren Währungsverhältnisses über die Währung teilweise kompensiert werden. Der Fokus auf die US-Binnenproduktion unterstützt den US-Aktienmarkt (vor allem strategische Schlüsselbranchen wie IT). Die US-Außenpolitik wird unter Harris keine Verwerfungen auslösen. Unter Trump II steigt das geopolitische Risiko, was auf die europäischen und asiatischen Märkte zumindest kurzfristig negativ wirkt.
Wenn man die ganze Wahlkampfrhetorik weglässt und das Spiel mit den Ängsten der Leser, dann bleibt ein solides Marktbild übrig: Es startet kein Wirtschaftskrieg, es endet ein Wahlkampf. Und es beginnt die globale Konjunktur.
Das war die vergangene Woche
Asien
Die BoJ beließ erwartungsgemäß die Leitzinsen unverändert bei 0,25%. Der japanische Notenbankpräsident Ueda verwies auf die derzeit komplexe Wirtschaftslage. Die Botschaft war vor allem an die neue Regierung Japans gerichtet, mit Fiskalmaßnahmen nur in Abstimmung mit der Notenbank wirtschaftspolitische Akzente zu setzen. Der Einzelhandelsumsatz lag 0,5% über Vorjahr und damit unter den Erwartungen. Positiv wirkten die chinesischen PMI-Daten, die nun für alle Sektoren bei ähnlichem Wert (um die 50,2 Zähler) liegen. Die asiatischen Börsen reagierten nur kurzzeitig nervös, als das US-BIP veröffentlicht wurde.
Europa
Deutschlands Daten zeigten eine leichte Verbesserung auf niedrigem Niveau: Das Gfk Verbrauchervertrauen stieg von -21,2 auf -18,3 Zähler, das annualisierte BIP blieb mit +0,2% auf niedrigem Niveau stabil, der HVPI stieg (basiseffektbedingt) auf 2,4% (= gutes Zeichen, denn der Einzelhandel verzeichnete ein Plus von 3,8% ggü. Vorjahr). Für die EU fallen die Makrodaten ebenfalls besser aus: Das annualisierte BIP stieg auf 0,9% (zuvor 0,6%), der VPI für die Euro-Zone lag bei 2,0% – bei 2,7% Kerninflation und sinkender Arbeitslosenrate (nun 6,3%). Die europäischen Börsen reagierten ebenfalls kurzzeitig nervös, als das US-BIP veröffentlicht wurde.
USA
Die US-Arbeitslosenrate blieb stabil bei 4,1% (gem. JOLTS sanken die offenen Stellen sogar von 8,04 Mio. auf 7,4 Mio.). Das annualisierte US-BIP sank auf 2,8%, was die Märkte am 30.10. vorübergehend sinken ließ. Positiv waren jedoch der Inflationsdruck (unverändert bei 2,1%), der Konsum (stieg um starke 0,5% ggü. Vormonat) und das Lohnniveau (blieb stabil bei 4,0%). Der ISM Produktionsindex (Geschäftsbedingungen für die US-Industrie) stieg stark von 48,3 auf 54,8 Zähler (neutral = 50). Auch die Auftragslage für das verarbeitende Gewerbe verbesserte sich spürbar, blieb jedoch unter 50 Zählern.
Was die neue Woche bringt
Die US-Präsidentschaftswahl (plus Kongress, plus ein Drittel des Senats) dominiert die kommende Woche. Daten aus China (VPI und Handelsbilanz), die Leitzinsentscheidung der Fed (-25 bps) und die Daten aus Deutschland (PMI und Handelsbilanz) sind zwar ebenfalls beachtenswert, werden aber aufgrund der Wahlberichterstattung nur wenig Auswirkung zeigen.
Asien
China veröffentlicht seine Handelsbilanz. Erneut sollte das Augenmerk auf den regionalen Anteil gelegt werden, auf den sich die chinesische Wirtschaftspolitik zunehmend konzentriert. Die Wirkung der jüngsten Zinssenkung für Hypothekarkredite wurde als konsumfördernde Maßnahme von den Börsen begrüßt, jedoch die Nachhaltigkeit dieser einmaligen Maßnahme hinterfragt. Der VPI (bei 0,3% erwartet) und der Erzeugerpreisindex (weiterhin -2,5% unter dem Vorjahr) zeigen, dass der Konsum in China noch nicht hinreichend aktiviert werden konnte.
Europa
Die Eurogruppe (Finanzminister der Eurozone) trifft sich: Angesichts der globalen Herausforderungen werden weitere Maßnahmen hinsichtlich Chinas besprochen, ebenso konjunkturelle Maßnahmen. Der PMI für Deutschland bleibt voraussichtlich auf aktuellem Niveau, die Handelsbilanz dürfte jedoch mit 24,3 Mrd.EUR deutlich stärker ausfallen als im Vormonat (22,5 Mrd.EUR). Der Konsum in der Eurozone steigt langsam weiter an (+0,8% ggü. Vorjahr). Interessant hierzu ist das EU-Wirtschaftsbulletin.
USA
Die US-Wahl dominiert das Wochengeschehen. Gleich danach folgt die Fed mit ihrer Zinssitzung am 6.11. Erwartet wird ein Zinsschritt von 25 bps auf dann 4,75%. Die nachfolgende Pressekonferenz wird wohl in der Wahlberichtserstattung untergehen. Ebenso die wohl unveränderte 5-jährige Inflationserwartung (3,0%).
Fazit
Die Wahlen und vor allem die mediale Berichterstattung um die Wahlen werden das Geschehen maßgeblich beeinflussen. Von den Artikeln sollte man sich nicht kirre machen lassen. Die US-Leitzinsentscheidung ist eingepreist und löst daher wohl keine zusätzliche Überraschung aus.
Dieser Artikel ist auch im Geld Magazin und im Börse Express erschienen.
Quellen: The economist; finanzen.net; weiterführende Infos: World Uncertainty Index
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