Viel los in Davos

Market Views, 19 Jan 2024

Die Wirtschaft hat gegipfelt.

Das Weltwirtschaftsforum in Davos ist üblicherweise ein politischer Almauftrieb mit vielen markigen Ansagen, großen Versprechungen und überschaubarer realwirtschaftlicher Bedeutung. Spitzenpolitiker nutzen die Gelegenheit, abseits von offiziellen Treffen Allianzen zu schmieden oder wichtige Themen anzuschneiden. Letztes Jahr stand die Ukraine im Fokus, heuer war es die Wiederbelebung der globalen Konjunktur. Die Notenbanken waren diesmal daher federführend.

Konkret waren es Gespräche von Fed und EZB zum Zeitplan für Zinssenkungen. Dabei wurde die robuste Wirtschaft der beiden Volkswirtschaftsräume betont und die Überzeugung bekräftigt, ein soft landing zu schaffen. Auch, weil man eben nicht bis zu einer US-Rezession warten wolle, um erste Zinsschritte zu unternehmen. Die Aussage kam gerade zur rechten Zeit: Chinas BIP-Wachstum enttäuschte und zeigte klar, dass eine vernetzte Weltwirtschaft auch Abhängigkeiten von den Konjunkturverläufen der anderen schafft. Und damit auch – mit Blick auf die geopolitischen Brennpunkte – Stabilität und Sicherheit.

Die Einkaufsmanager hingegen bleiben defensiv. Deutlich wird dies am einmal mehr gesunkenen Einkaufsmanagerindex. Als Vorlaufindikator für die Inflation ist das zwar durchaus positiv, aber zu einem soft landing gehört auch eine Bodenbildung bei den Preisen vorab. Diese bildet sich bereits bei zahlreichen anderen Makrodaten. Und der Rest ist BIP.

Es bleibt ein enger Arbeitsmarkt (less than 5%) in 2024
Kaufkraftverteilung in 2024

Das war die vergangene Woche

Asien

Die Wahl in Taiwan brachte das erwartete Ergebnis und die ebenso erwarteten verbalen Reaktionen Chinas. Ohne Börsenwirkung. Anders als Chinas Makrodaten (BIP, Konsum, Industrieproduktion), die enttäuschten und am Mittwoch für eine saftige Korrektur sorgten. Neben dem BIP-Wachstum (5,2% annualisiert) verlor auch der Konsum mit +7,4% ggü. Vorjahr (zuletzt +10,0%) das Momentum. Damit zeigte sich einmal mehr die erhebliche Abhängigkeit Chinas von der Konjunktur und dem Shopping-Verhalten seiner großen Absatzmärkte USA und Europa. Auf erwartetem Niveau wurde Japans VPI veröffentlicht – der Nikkei notierte neutral.

Europa

Die bereits vorab veröffentlichten Erwartungswerte für Inflation und ZEW-Einschätzung der aktuellen Lage wurden bestätigt und waren daher keine marktrelevanten Signale. Positiv wirkten die Zinspolitik-Gespräche in Davos, wenngleich sich Lagarde bei ihrer Rede vorerst gegen eine zu rasche Zinssenkung aussprach. Von den europäischen Börsen wurde ihre Rede dennoch versöhnlich aufgenommen, wenngleich erneut (-8,6% ggü. Vorjahr, zuletzt -7,9%) gefallene Erzeugerpreise zeigten, dass die Industrie sich für das Q1.2024 sehr vorsichtig positioniert.

USA

Der Konsum stieg um +0,8% (zuletzt +0,4%) deutlich stärker an, als erwartet. Auch die FOMC-Kommentare waren vergleichsweise versöhnlich (wir erinnern uns an die recht markigen Aussagen von Powell noch im Dezember) – die Zinsen bleiben vorerst trotzdem unverändert (einstimmiger Beschluss der Fed). Die Märkte reagierten jedoch positiv auf die Gespräche von Fed und EZB in Davos zu den heuer erwarteten Zinssenkungen – trotz des mit -10,6 Zählern weitgehend unverändert gebliebenen Philly-Fed-Herstellungsindex. Die USA verabschiedeten sich mit starkem Verbrauchervertrauen (steigt von 69,7 auf 70,0 Zähler, neutral = 50) ins Wochenende.

Was die neue Woche bringt

Die BoJ und die EZB werden in der kommenden Woche ihre Leitzinsen unverändert belassen. Während die japanische Wirtschaft und Inflation moderat verlaufen, blickt Europa weiterhin vorsichtig abwartend in die Zukunft. Auch die Einkaufsmanager in den USA dämpfen zu große Erwartungen im Q1.

Asien

Die chinesische Notenbank PBoC belässt am Montag die Leitzinsen unverändert bei 3,45%. Marktrelevanter wird das geldpolitische Statement der BoJ sein, wenngleich auch hier der Leitzins bei -0,1% bestätigt wird. Die guten Exportzahlen des letzten Quartals führen zu einem saisonal mitbedingten Anstieg von Japans Exporten (+9,1%, zuletzt -0,2% ggü. Vorjahr). Positiv wirkt sich auch der auf 1,9% sinkende Tokioter Kern-VPI aus.

Europa

Das Verbrauchervertrauen in der EU bleibt negativ, aber es wird besser (steigt von -15,0 auf -14,5 Zähler, neutral = 0). Auch die Einkaufsmanager (neutral = 50, Dienstleistungssektor 49,0 Zähler, Produktion 44,8) bleiben auf Vormonatsniveau und damit defensiv positioniert. Der Geschäftsklimaindex in Deutschland bleibt ebenfalls mit 86,4 auf Vormonatsniveau – wie auch die ifo aktuelle Beurteilung der wirtschaftlichen Lage mit 88,5 (neutral = jeweils 100 Zähler). Das Verbrauchervertrauen steigt minimal von -25,1 auf -24,5 (neutral = 0 Zähler). Die EZB-Entscheidung, die Leitzinsen bei 4,5% unverändert zu belassen, wurde in Davos schon vorweggenommen und hat daher keine Kursrelevanz.

USA

Die Einkaufsmanagerindizes (PMI) zeigen die stabile Markterwartung der Unternehmen sowohl im Dienstleistungssektor (51,4 Zähler, neutral = 50) als auch im Herstellungssektor (zuletzt 47,0) leicht über den Vormonatswerten. Die mittlerweile stark abgekühlte US-Wirtschaft (Auftragseingänge für langlebige Güter bleiben auf Vormonatsniveau) zeigt sich deutlich. Auch im annualisierten BIP, das nun mit +1,8% ausgewiesen wird (zuletzt +4,9%). Damit sind 2022er-Sondereffekte nun endgültig aus der Datenbasis verschwunden. Am Freitag folgen mit den Konsum- und Lohndaten weitere wichtige Kennzahlen.

Fazit

Vor allem das US-BIP wird die Befürchtung einer US-Rezession wieder in die Medien bringen. Und damit wohl auch die Kassandrarufe auf YouTube. Die Notenbanken werden in ihren Begleitreden mahnen (der Arbeitsmarkt ist in den USA weiterhin zu eng), doch auch kalmieren. Relevant werden zudem die Positionierungsbewegungen der institutionellen Anleger: Die Berichtssaison steht vor der Tür!

Dieser Artikel ist auch im Geld Magazin und im Börse Express erschienen.

Autor: Alexander Putz

Quellen: IWF

Hinweis: Die vorliegende Marketingunterlage stellt keine Anlageberatung, Anlageanalyse oder Anlageempfehlung dar. Insbesondere ist sie kein Angebot, bzw. keine Aufforderung zum Stellen eines solchen, und keine Empfehlung/Aufforderung zum Kauf, Verkauf oder einer anderen Handlung (z.B. Halten) von Finanzprodukten. Die steuerliche Behandlung hängt von den persönlichen Verhältnissen des jeweiligen Kunden ab und kann künftigen Änderungen unterworfen sein.

Nach oben scrollen