Die EZB ist first mover – und stolz darauf.
Der erste Schritt ist getan und die EZB ist happy, ist sie doch first mover beim Zinszyklus! Für die Euro-Zone erwartet die EZB, im 2. Halbjahr 2025 im Zielbereich von 2% Inflation zu sein. Nun, dass Inflation sticky ist, kennen wir schon aus den USA. Lagarde war in ihrer Rede weit mutiger als ihre Co-Heads. So bleibt die Frage, ob heuer eher 50 oder doch 100 bps fallen, offen. Offen bleibt auch die Frage, ob Deutschland – eigentlich Europas Wirtschaftsmotor – nicht deutlich niedrigere Zinsen bräuchte, um wieder zu brummen. Im Mai ist die Industrieproduktion nämlich zum vierten Mal in Folge gesunken. Momentan ist also nur die EZB froh – der Mittelstand wartet noch mit happy.
Mit einem EU-Wirtschaftswachstum von annualisiert 0,4% und einer stabilen Arbeitslosenrate von 6,4% kann man in den Hallen der EZB ruhig mutig sein. Das zumindest finden zahlreiche Analysten ebenso wie diverse Wirtschaftsforschungsinstitute (u.a. ifo, wiiw oder Wifo).
Neben der ohnehin schon lang erwarteten Zinswende finden/fanden zwei wichtige Wahlen statt: in der EU (am 6. bis 9.6.) und in Indien (abgeschlossen am 1.6.). Ob zur Zinswende auch eine politische kommt? Unwahrscheinlich. In Europa dominieren die bekannten Themen, das Ringen um eine gemeinsame Linie und der anhaltende Ukraine-Krieg. In Indien konnte sich die regierende nationalkonservative Bharatiya Janata Party (BJP) Modis klar behaupten. Beide Wahlergebnisse bleiben also ohne Überraschungen. Auf die Märkte haben die Wahlen daher zunächst keine Auswirkungen.
Ob der Beginn des Zinszyklus in Europa nun eine Sommerralley auslöst, oder ob es doch nur ein Sommerlüfterl bleibt, wird sich noch herausstellen. Durch die Halbjahresberichte (bzw. in Erwartung selbiger) sollte der Juli besonders spannend werden und im Juni noch hinreichend Zeit für die passende Positionierung sein.
Das war die vergangene Woche
Asien
Der Caixin PMI für den Produktionssektor stieg geringfügig auf 51,7 Zähler, für den Dienstleistungssektor etwas kräftiger auf 54,0 (neutral = 50). Kraftvoll präsentierte sich die Handelsbilanz (83,6 Mrd. USD statt erwarteter 73,0 Mrd. USD), die eine deutliche Zunahme des binnenasiatischen Handels (CNY-Anteil der Handelsbilanz) zeigte. Der starke Anstieg des japanischen Durchschnittseinkommens um 2,1% ggü. Vorjahr (zuletzt 0,6%) sorgte für erneute Inflationssorgen und eine entsprechende Bewegung des Nikkei.
Europa
Die PMI-Werte stiegen geringfügig und blieben in allen Sektoren im positiv neutralen Bereich über 50 Zählern (neutral = 50). Angesichts der um -0,1% gesunkenen Industrieproduktion (nun den 4. Monat in Folge) und des Rückgangs der Werksaufträge in Deutschland (-0,2% im Mai, erwartet wurden +0,3%) waren die BIP-Daten (+0,3% wurden bestätigt, aber +0,4% wurden erwartet) enttäuschend. Der mutige erste EZB-Zinsschritt um 25 bps (1 Basispunkt bp = 0,01 Prozentpunkte) ging so fast unter – schade. Die Europawahlen bewegten die Märkte im Vorfeld nicht.
USA
Die Arbeitslosenrate stieg auf 4,0%, jedoch bei steigendem Lohnwachstum (+0,4% im Mai ggü. +0,2% im April). Zusammen mit dem auf 54,5 Zähler (neutral = 50) weiter leicht gestiegenen PMI Gesamtindex und der guten Auftragslage im nicht verarbeitenden Gewerbe (ISM Index stieg von 52,2 auf 54,1 Zähler; neutral = 50), konnten die Makrodaten überzeugen. Nvidia verzeichnete in der Woche vor dem geplanten Aktiensplit (10 für 1 nach Handelsschluss vom 7.6.2024) nochmals einen kräftigen Kurssprung.
Was die neue Woche bringt
Nach dem Start in den Zinszyklus in Europa liegt nun das Augenmerk auf Fed, BoJ und PBoC und den entsprechenden Daten zur Kerninflation. Dass diese sticky ist, wird einmal mehr bekräftigt werden. Dennoch nimmt der Erwartungsdruck zu. Das allerorts steigende Verbrauchervertrauen wirkt hingegen eher inflationstreibend und ist daher mit Vorsicht zu genießen.
Asien
Das japanische BIP bleibt annualisiert negativ, verbessert sich aber in der Prognose von -2,0% auf -1,9%. Die BoJ wird sich am Freitag wohl für ein Beibehalten des aktuellen Leitzinssatzes (0,0%) entscheiden, doch die Begleitrede zu dieser Entscheidung sollte genau verfolgt werden – immerhin wurden restriktive Maßnahmen angekündigt, um die weiterhin (für japanische Verhältnisse) zu hohe Inflation einzufangen. Wichtig aus China sind VPI (0,3% ggü. Vorjahr) und PPI (-1,8% ggü. Vorjahr).
Europa
Das Ergebnis der Europa-Wahl dominiert die Berichterstattung. Hinsichtlich der EZB-Notenbankpolitik sollte man dem deutschen Bundesbank-Präsidenten Nagel Beachtung schenken. Die Tagung der Finanzminister der Euro-Zone (Eurogruppe) wird die Fiskalpolitik im Umfeld der gestiegenen Rüstungsausgaben, einer sich langsam lockernden Geldpolitik und einer nur langsam erstarkenden Wirtschaft zum Inhalt haben.
USA
Die US-Kerninflation sinkt auf 3,5%. Wenig überraschend bleibt die Fed bei ihrem aktuellen Leitzins von 5,5%. Die Wirtschaftsprojektion des FOMC wird angesichts des jüngsten EZB-Zinsschritts für etwas mehr Aufsehen als sonst sorgen – ebenso die Zinsprojektion (Zinsstrukturkurve der USA). Der Erzeugerpreisindex PPI steigt ggü. Vormonat nur noch um 0,2% (zuletzt +0,5%). Ein starkes Signal wird vom Verbrauchervertrauen erwartet, das von 69,1 auf nunmehr 73,0 Zähler steigt.
Fazit
Die Medien werden vom Wahlergebnis in Europa – und natürlich auch Indien – dominiert. Die Märkte hingegen von der Erwartungshaltung der US-Makrodaten. Überraschungen sollten ausbleiben, jedoch nimmt mit dem Erwartungsdruck auch die Volatilität zu.
Dieser Artikel ist auch im Geld Magazin und im Börse Express erschienen.
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