Kehrtwende?

Market Views, 2 Jun 2023

Der politische Karneval ist zu Ende.

Die Show ist vorbei: Die USA haben fast in letzter Sekunde den Shutdown verhindert: Der Kongress und der Senat haben der Anhebung der Schuldenobergrenze bis 2025 zugestimmt. Die Diskussion (der Streit) darüber hat wochenlang die Börsen weltweit in Atem gehalten.

Eigentlich unnötig. Denn das in Frage gestellte deficit spending budget (= es wird mehr ausgegeben, als über Steuern und Gebühren eingenommen wird) wurde zuvor vom Kongress bewilligt. Um die Refinanzierung ebendieses Budgets ging nun der Streit: Genehmigt hat der Kongress nun also die Kreditaufnahme für das Geld, das der Kongress zuvor bewilligt und damit ausgegeben hat …

Mit der Einigung richtet sich der Fokus der Anleger wieder verstärkt auf die Börsen. Diese nehmen die Erwartung der Konjunkturfestigung vorweg. Während also die volkswirtschaftlichen Makrodaten erst die Konjunkturabkühlung mit ihren Folgen zeigen – und hier sind wir noch länger nicht am Ende angelangt -, stellen sich die Anleger bereits wieder auf ein stärkeres Kursmomentum und eine mögliche Gewinnrevision ein (= die derzeit noch sehr hohen Margen schrumpfen, um die Absatzmenge bei fallendem Umsatz konstant zu halten).

Die jüngsten Kursbewegungen testen ebendiese Erwartungen. Auch die Notenbanken spielen erneut eine wichtige Rolle, denn diese stehen vor dem Ende der Zinserhöhungen. Wenngleich erwartet wird, dass sowohl die Fed als auch die EZB die Zinsen nochmals um 25 bp (Basispunkte) erhöhen werden, wird nun die Geldpolitik (Geldmenge – wirkt sich auf den USD gegenüber dem EUR aus) wieder wichtiger. Und natürlich auch die Frage, wann und wo die Zinsen wieder gesenkt werden. Hierzu ist für die Fed zweierlei zu bedenken: das duale Ziel, sowohl Vollbeschäftigung als auch Preisstabilität herzustellen, als auch, dass 2024 ein US-Wahljahr ist. Und eine Rezession wäre ganz schlechtes Marketing.

Es stehen also mehrere Kehrtwenden an. Sie alle sind aufgeladen mit Erwartungen und Emotionen.

US Aktien des S&P 500: Bewertung vs. Gewinnlage
US Aktien des S&P 500: Bewertung vs. Momentum

Asien

Der chinesische Einkaufsmanagerindex für Industrie hat enttäuscht und zeitweise für rote Börsen in Shanghai und Hongkong gesorgt. Doch die Einigung im US-Schuldenstreit sorgte auch in Asien für Erleichterung.

Europa

Die Inflation ist stärker gesunken als erwartet und das bei stabil guter Wirtschaftslage. Dennoch bleibt gemäß dem Finanzstabilitätsbericht der Europäischen Kommission die Konjunkturlage fragil. Während Deutschlands BIP-Wachstum weiterhin deutlich unter 1% erwartet wird, geht man in diesem Bericht von einem etwas kräftigeren Wirtschaftswachstum für die Gesamt-EU aus.

USA

Der Schuldenstreit hat in der vergangenen Woche alles überlagert – wie dann auch dessen Lösung. Eine mögliche weitere Zinserhöhung der Fed wurde bereits eingepreist. Eine Zinsschrittpause im Juni würde eine Erhöhung im Juli umso wahrscheinlicher werden lassen: Die Makrodaten und der Arbeitsmarkt sind immer noch äußerst robust. Die Erholungsfahrt der NASDAQ, getrieben durch positive Unternehmensprognosen (z.B. von Nvidia) beflügeln die Fantasie der Anleger vor allem zum Wochenauftakt.

Was die neue Woche bringt

Nach dem Ende des Schuldenstreits, der zeitweise an den Karneval erinnert hat, leckt der Markt seine Wunden. Der Fokus der volkswirtschaftlichen Daten liegt auf Europa und auf der Festigung der positiven Kursbewegungen der vergangenen Woche.

China veröffentlicht seine Handelsbilanz und wird eine weitere Steigerung berichten. Marktbewegend ist die BIP-Entwicklung für Japan am Donnerstag (erwartet wird ein Plus von +0,5% gegenüber dem Vorquartal). Diese resultiert aus der besser als prognostizierten Industrieproduktion und einem stabilen BIP-Wachstum von 2,0%. Am Freitag ist die chinesische Inflationsrate (stabil bei 0,1%) besonders wichtig.

Deutschlands Außenhandelsbilanz liegt voraussichtlich auf Vormonatsniveau, ebenso der Einkaufsmanagerindex (immer noch positiv gestimmt mit 57,8). Die Makrodaten auf EU-Ebene zeigen die weitere Abkühlung der globalen Konjunktur durch ein weiteres Absinken der Erzeugerpreise (um -3,2% gegenüber Vormonat). Die Entwicklung der Einzelhandelsumsätze (-1,8% gegenüber dem Vorjahr) bleibt negativ. Die Auswirkungen dieser Kennzahl werden überschaubar bleiben – viel wichtiger ist die Industrieproduktion in Deutschland (nach -3,4% von März auf April wird nun ein Plus von +0,4% erwartet). Wichtigster Datenpunkt ist am Donnerstag die Entwicklung des BIP der EU. Für das Q2 erwartet man eine schwarze 0.

In den USA visualisiert der Redbook Index am Dienstag den umsatzgewichteten Wachstumsindikator des US-Einzelhandels. Da grob 70% des US-BIPs vom Konsum abhängen, hat in der aktuellen Konjunkturlage dieser Index Beachtungswert. Im Kontext dazu ist eine deutliche Abnahme des Neukreditvolumens als Bestätigung des Konsumrückgangs zu sehen.

Nach einer starken letzten Handelswoche könnten Gewinnmitnahmen für vereinzelt hohe Volatilität sorgen. Die europäischen Makrodaten verdeutlichen zwar die konjunkturelle Abkühlung, zeugen jedoch auch von einer Robustheit der Wirtschaft in der EU. Das sollte das Investorenvertrauen stärken.

Dieser Artikel ist auch im Geld Magazin erschienen.

Autor: Alexander Putz

Quelle: Fidelity Investments
(ausnahmsweise ohne Link, da die Quellpräsentation nicht für Privatkunden gem. WAG 2018 geeignet ist)

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